Z! im Interview mit Dr. Hans Jürgen Scholz und Dr. Gertraud Scholz, IPPM Technologies GmbH


 

Seit 2019 entwickeln Dr. Hans Jürgen Scholz und Dr. Gertraud Scholz Verfahren für chemische Reaktionen und Prozesse unter Einsatz der Mikrowellentechnologie für industrielle Anwendungen. Im Interview berichten sie über mögliche Einsatzmöglichkeiten und aktuelle Herausforderungen. 

 

Ihr Unternehmen gilt als besonders innovativ und wird unter dem Label Chemie 4.0 geführt. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der Begriff beschreibt die moderne Transformation und Digitalisierung der Chemischen Industrie. Im Rahmen des Green Deal sollen ressourcenschonende und ökologische Verfahren entstehen. Das bedeutet unter anderem, dass petrochemische Einsatzstoffe ersetzt und toxikologisch unbedenkliche Produkte hergestellt werden. Zudem sollen über smartes Energiemanagement Strom einspart und Stromspitzen ausgenutzt werden. Die Mikrowellentechnologie kann hierfür einen wertvollen Beitrag leisten.  

Mikrowellentechnologie kennt jeder aus der Küche. Können Sie kurz das Prinzip erklären?
Mikrowellen sind ein Teil des elektromagnetischen Wellenspektrums, wie z. B. Radarstrahlen, Röntgenstrahlung, für den Menschen sichtbares Licht oder Infrarotstrahlung. Die Mikrowellen werden in einem Generator, einem Magnetron erzeugt. Für zivile Einsatzgebiete sind Mikrowellen mit einer Frequenz von 2,45 GHz und 915 MHz erlaubt.

Die Labor- und Technikumsanlagen der IPPM Technologies GmbH haben jedoch nichts mit einer Haushaltsmikrowelle zu tun. Die Bestrahlung mit Mikrowellen basiert auf sogenanntem dielektrischem Heizen. Das heißt, die zu erhitzende Substanz wird nicht wie bei herkömmlichen Heizmethoden von außen, sondern direkt im Inneren erhitzt. Es wird also nicht, wie dies beim (ineffizienten) Erhitzen auf einer Heizplatte beispielsweise der Fall ist, zuerst das verwendete Reaktionsgefäß von außen erwärmt, um dann durch Konvektion auch das Reaktionsgemisch oder das Lösungsmittel) im Inneren auf die gewünschte Temperatur zu bringen; beim mikrowellenunterstützten dielektrischen Heizen wird die elektromagnetische Energie eines Stoffes direkt in Wärmeenergie umgewandelt.

 

Schematischer Aufbau einer Mikrowellen-Reaktionseinheit im kontinuierlichen Durchfluss

Für diese Umwandlung muss der Stoff, das kann sowohl das Reagenz selbst als auch das Lösungsmittel sein, Mikrowellenenergie absorbieren können.  Damit die Moleküle des absorbierenden Stoffes in Schwingung versetzt werden und letztendlich Wärmeenergie resultiert, muss der Stoff Dipole oder Ionen enthalten, die sich bei Mikrowellenbestrahlung nach dem elektrischen Feld ausrichten. Generell gilt das Mikrowellenverfahren als sehr energieeffizient, da es die Wärme dort erzeugt, wo sie gebraucht wird und keine Flächen geheizt werden.

Die Mikrowellen sind im Übrigen gar nicht so „mikro“, wie das Wort uns glauben macht. Bei der Frequenz 2,45 Giga-Hertz sind sie ca. 12 cm lang, bei 915 Mega-Hertz sind sie ca. 30 cm lang.

Worin unterscheidet sich Ihr Ansatz von einer Küchenmikrowelle?
Die Haushaltsmikrowelle arbeitet in einem Multi Mode, die Wellen springen in dem Gerät also umher und die Erwärmung verteilt sich daher nicht wirklich gleichmäßig. Dies wird teilweise durch den Drehteller ausgeglichen. Wir betreiben unsere Mikrowellenreaktoren im Single oder auch Mono Mode genannt.
Singlemode-Mikrowellen unterscheiden sich von Multimode-Mikrowellen durch eine homogene Energieverteilung im Mikrowellenfeld, die durch eine direkte Hinführung der Mikrowellen über einen Wellenleiter zum Reaktionsraum erreicht wird.

Womit kann eine solche Mikrowellenanlage im industriellen Kontext punkten?
Mikrowellenverfahren sind gegenüber anderen thermischen Verfahren bis zu 70 % energieeffizienter. Dies trägt zu einem günstigen Carbon Foot Print der mit dieser Technologie hergestellten Produkte bei.

Der Carbon Foot Print kann durch Einsatz von „grünem Strom“, erzeugt durch Nutzung von Windkraft oder Photovoltaik, noch weiter optimiert werden. Ein Upscaling der Mikrowellenanlagen erfolgt durch Erhöhung der Durchflussgeschwindigkeit über die Pumpleistung und durch einen stärkeren Energieeintrag durch Einsatz leistungsstärkerer Magnetrons.

Man benötigt also zur Herstellung größerer Produktmengen keine neuen Anlagen, sondern nur die Anpassung in der Peripherie des Mikrowellenreaktors.

Welche Leistung können Sie Ihren Kunden anbieten?
Wir bieten die Entwicklung von Verfahren unter Nutzung der Mikrowelle für chemische Reaktionen und Prozesse. Der Kunde kann uns zum Beispiel beauftragen einen bewährten Standardprozess unter Einsatz der Mikrowellen zu optimieren, um zum Beispiel höhere Reinheiten zu erhalten oder um energieeffizienter oder schneller zu werden.

Mit unserer Mikrowellentechnologie ist es gelungen, neuartige chemische Stoffe herzustellen, die umweltschädliche und toxikologisch bedenkliche Stoffe, beispielsweise in kosmetischen Produkten ersetzen können. Des Weiteren bieten wir Verfahren zur Herstellung von chemischen Produkten auf Basis nachwachsender Rohstoffe, um möglichst petro-basierte Rohstoffquellen zu vermeiden.

Die Mikrowellentechnologie leistet einen wertvollen Beitrag bei der Herstellung biologisch abbaubarer Kunststoffe mit dem Ziel, Mikroplastik zu vermeiden.

Oder schauen wir auf die Möglichkeit der Isolierung von Naturstoffen. Aus den Rückständen der Speiseölraffination können wir unter anderem Tocopherole (Vitamin E) gewinnen. Diese können wir über unser Verfahren in einer Reinheit aufbereiten, dass sie in der Pharmazie und der Kosmetikindustrie eingesetzt werden können. Damit sind unsere Leistungen insbesondere für die Chemische Industrie, die Pharmaindustrie, die Kosmetikindustrie und die Kunststoffindustrie interessant.

Mit welchem Projekt sind Sie aktuell intensiv beschäftigt?
Wir arbeiten in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt zusammen mit B4Plastics, einem belgischen Unternehmen. B4Plastics möchte im industriellen Maßstab biologisch vollständig abbaubare Kunststoffe, sprich Polymere, produzieren, die für eine Vielzahl von Kunststoffprodukten geeignet sind. Das heißt, dass diese in natürlichen Umgebungen vollständig mineralisiert werden können und kein Mikroplastik hinterlassen. Unser Beitrag im Projekt ist, dass wir Verfahren liefern, die einzelne Bausteine für die Komposition dieser Polymere erzeugen können.

Welche Dimensionen haben solche Mikrowellenanlagen?
Hier im Industrie Center Obernburg haben wir unter anderem zwei Anlagen im Labormaßstab im Betrieb, an der wir Herstellverfahren im Kleinen ausarbeiten können. Auch kleinere Labormuster können wir hier herstellen, der Durchsatz durch die Anlage kann bis zu 3 Liter pro Stunde betragen.

Zusätzlich haben wir ein Technikum aufgebaut, wo wir Tests im Pilotmaßstab mit ca. 10 Liter pro Stunde durchführen können. Hier können wir Parameter ermitteln, die für den Bau einer Produktionsanlage benötigt werden.

Das Unternehmen existiert seit rund 5 Jahren. In welchem Stadium befinden sich Ihre Entwicklungen?
Wir haben eigens für uns entwickelte Mikrowellenanlagen im Labor- und im Technikumsmaßstab sowie gut geschulte Mitarbeitende. Bisher haben wir unsere Ausgaben aus Eigen- und Fördermitteln bestritten und hoffen nun natürlich auf die ersten größeren Kundenaufträge. Aktuell stehen wir am Start der Vermarktung.

Wie sind Sie so weit gekommen?
Natürlich zum einen durch die gewährten Fördermittel, unser eigenes Engagement und Know-how, aber auch durch starke Partnerschaften. Wir arbeiten unter anderem eng mit einem der ausgewiesenen Experten der Mikrowellentechnologie zusammen, Prof. Dr. Giancarlo Cravotto von der Universität Turin. Daneben sind wir im regen Austausch mit verschiedenen Fraunhofer-Instituten, aber auch mit spezialisierten Industrie- und Innovationspartnern wie Püschner GmbH, dem Hersteller von Mikrowellenreaktoren, oder Sigmar Mothes Hochdrucktechnik GmbH, die unsere Pilotanlage konzipierten.

Wo liegen für Sie derzeit die größten Herausforderungen?
Wir müssen die Chemische Industrie überzeugen, dass unsere mikrowellenunterstützten kontinuierliche Verfahren im großtechnischen Maßstab zuverlässig laufen und herkömmliche Produktionsanlagen vorteilhafterweise ersetzen können. Durch Lizenzeinnahmen können wir unser Unternehmen weiterentwickeln und investieren, ohne auf Fördermittel angewiesen zu sein.

Sie sitzen im ICO – was schätzen Sie am Standort?
Die Unterstützung für kleine und junge Unternehmen ist hier durchaus lobenswert und wir finden hier vieles vor, was uns weiterhilft. Wir nutzen die angebotenen Medien wie Energie, Wärme und Stickstoff. Aber auch zentrale Einrichtungen wie die Abteilung Schlosserei, die uns bei dem Aufbau des Technikums unterstützt hat. Auch die Möglichkeit, Gefahrgut zu versenden, ist ein wichtiger Service des ICO.

Herzlichen Dank für das sehr interessante Interview und alles Gute für den Markteintritt.

Das Interview führte Katja Leimeister, approdos consulting


Kontakt

Dr. Hans Jürgen Scholz
IPPM Technologies GmbH
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