Künstliche Intelligenz – ein Thema am Gymnasium (?)

In den Medien ist der Begriff der Künstlichen Intelligenz (KI) zurzeit omnipräsent – kaum eine Woche, in der nicht eine neue Anwendung oder Errungenschaft in diesem Bereich an die Öffentlichkeit gebracht wird. Viele sehen darin mächtige Hilfsmittel für Beruf und Freizeit. Sie nutzen die KI, um sich kurze Texte für eine Begrüßung, rechtefreie Bilder und Sounds oder Programm-Codes in einer unbekannten Programmiersprache erstellen zu lassen. Andere sehen in diesen Anwendungen und der Entwicklung der Künstlichen Intelligenz große Gefahren.

Kritiker bringen die Angst vor dem Kontrollverlust durch den Menschen und der Nichtnachvollziehbarkeit der Ergebnisse von KI-Anwendungen vor. Entscheidungen in die Hand von KI- Anwendungen zu legen, erscheint vor diesem Hintergrund unmöglich. Aber wie wird am Gymnasium mit dieser Technologie umgegangen? Wie kann sich der Alltag, die Zukunft durch KI verbessern? Welche Gefahren können entstehen? Die Aufgabe der Gesellschaft und insbesondere der Schule wird es sein, Antworten auf diese Fragen zu finden.

Um jedoch über KI fundiert diskutieren zu können, ist es notwendig, diese Technologie auch zu verstehen. Das Hanns-Seidel-Gymnasium bietet sowohl den wirtschaftswissenschaftlichen (WWG) als auch den naturwissenschaftlich-technologischen (NTG) Zweig als Ausbildungsrichtung an. Die beiden Profilfächer, Wirtschaftsinformatik (WWG) und Informatik (NTG), haben jeweils einen Lernbereich „Künstliche Intelligenz“ im Lehrplan der 11. Jgst. verortet. Im Folgenden wird ein kurzer Blick auf die Umsetzung des Lernbereichs im Fach Wirtschaftsinformatik geworfen.

Um eine fundierte, differenzierte und systematische Analyse der Chancen und Risiken von KI vorzunehmen, ist zuallererst ein Verständnis nötig, was KI und speziell maschinelles Lernen bedeutet. Mithilfe eines Spiels („Mensch, Maschine!“) wird den Schülerinnen und Schülern zu Beginn des Lernbereichs deutlich gemacht, wie Maschinen „lernen“ und ihre eigene Vorgehensweise verbessern können. Diese Erfahrung legt den Grundstein zur Entmystifizierung der sich selbst „fortentwickelnden“ KI. Den Schülerinnen und Schülern wird klar, dass sich das System in einem vom Menschen gesteckten Rahmen und nach dessen Regeln verändern bzw. verbessern kann.

Frau Prof. Dr. Katharina Zweig von der Technischen Universität Kaiserslautern zeigt den starken Einfluss der Menschen auf die Entwicklung und Verwendung von KI-Systemen mit der sogenannten „langen Kette der Verantwortlichkeit“. Sei es bei der Auswahl der Lern-Algorithmen, der Bereitstellung der Daten oder der Interpretation der Ergebnisse, an vielen Schaltstellen sind die menschlichen Entscheidungen maßgeblich für das Ergebnis und beeinflussen so die Arbeit der KI-Systeme. Um die Funktionsweise maschinellen Lernens noch besser verstehen zu können, sieht der Lehrplan die Auseinandersetzung mit ausgewählten KI-Algorithmen vor. So wird u. a. die Funktionsweise eines Perzeptrons simuliert. Das Perzeptron stellt die Grundlage für neuronale Netze dar, die zurzeit in allen komplexeren KI-Systemen zum Einsatz kommen. Daher trägt auch das Verständnis dieser Technologie zur Entmystifizierung komplexer KI-Systeme bei. Darüber hinaus setzen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem k-nächste-Nachbarn-Algorithmus (am Beispiel einer Immobilienbewertung) oder dem Entscheidungsbaum-Algorithmus (am Beispiel eines Bewerbungsverfahrens) auseinander. Dabei wird auch immer die Auswahl und die Bedeutung der Trainingsdaten für diese Algorithmen kritisch reflektiert.

Mit dem technischen Verständnis der KI-Algorithmen sowie dem Wissen über die Einflussmöglichkeiten durch den Menschen auf die Funktionsweise einer KI ist den Schülerinnen und Schülern nach dieser Sequenz eine differenzierte Diskussion und Beurteilung aktueller KI-Systeme möglich. Dabei werden Vorteile und Chancen identifiziert sowie für Probleme und Risiken Lösungsansätze, Einschränkungen oder Rahmenbedingungen formuliert – vor dem Hintergrund eines gesellschaftsverträglichen ethischen Werterahmens. Mithilfe dieser Fähigkeiten sind unsere Schülerinnen und Schüler gerüstet, die von KI-Systemen beeinflusste Zukunft verantwortungsbewusst und reflektiert mitgestalten zu können.

Neben diesem expliziten Lernbereich zur KI gibt es im Fach Wirtschaftsinformatik auch in den Lernbereichen zu Beschaffung, Produktion und Absatz sowie im Bereich der IT-Sicherheit viele Anknüpfungspunkte, die Möglichkeiten und Risiken von KI-Anwendungen zu analysieren und zu reflektieren. Ebenso hält KI in den anderen Fächern methodisch sowie inhaltlich Einzug und ist somit Thema vieler Fortbildungen über alle Fächer hinweg. Man kann also getrost sagen, dass die Schülerinnen und Schüler des bayerischen Gymnasiums fundiert auf eine Welt mit Künstlicher Intelligenz vorbereitet werden.
 


Kontakt

Tobias Tyll
Hanns-Seidel-Gymnasium Hösbach
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Johannes Wintermeier
Anton-Bruckner-Gymnasium Straubing
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