Gemeinsam mit Linde Material Handling (MH) entwickelte die Technische Hochschule Aschaffenburg im Forschungsprojekt KAnIS (Kooperative Autonome Intralogistik Systeme) Lösungen für die
anspruchsvollen Einsätze autonomer Gegengewichtsstapler. Ein Schwerpunkt lag auf deren kooperativem Verhalten: Über ein 5G-Netz und einen Edge-Server tauschen die Fahrzeuge Informationen in
Echtzeit aus und können sich gegenseitig vor Hindernissen warnen. Das über knapp vier Jahre laufende Vorhaben (2020-2024) wurde im Rahmen des F&E-Programms „Informations- und
Kommunikationstechnik“ des Freistaats Bayern mit rund 2,8 Mio. Euro gefördert.
„Autonome Fahrzeuge werden nach und nach immer mehr Transportaufgaben übernehmen“, davon ist Stefan Prokosch, Initiator des Projektes KAnIS vonseiten Linde MHs überzeugt. Als einer der
Technologieführer der Branche will das Intralogistik-Unternehmen die Vorteile autonomer Fahrzeuge in Zukunft auch denjenigen Kunden zugänglich machen, die Gegengewichtsstapler zum Warentransport
oder zum Be- und Entladen von Lkw im Einsatz haben. „Die Anforderungen an Stapler im Außenbereich sind jedoch weitaus höher, als dies bei reinen Indoor-Geräten der Fall ist. Dazu gehören Gefälle
und Steigungen, ein deutlich höheres Personen- und Verkehrsaufkommen, aber auch Wettereinflüsse und Temperaturgegebenheiten“, erläutert Prokosch. „Durch die gemeinsame Forschungsarbeit mit der TH
Aschaffenburg konnten wir tragfähige Lösungen für diese komplexen Anforderungen erarbeiten. Die Erkenntnisse bilden nach dem Abschluss des Projekts eine wesentliche Grundlage für weitere
Entwicklungsprojekte.“ Übergeordnetes Projektziel war es, herauszufinden, wie sich betriebliche Zuverlässigkeit und Umschlagsleistung durch ein kooperatives Verhalten vernetzter, autonomer
Fahrzeuge verbessern lassen.
„Vom intensiven Austausch zwischen wissenschaftlicher Forschungstätigkeit an der TH und langjährigem Fahrzeugentwicklungs-Know-how bei Linde MH haben beide Projektpartner in hohem Maße
profitiert,“ resümierte Prof. Dr. Hans-Georg Stark, Projektleiter KAnIS, Fakultät Ingenieurwissenschaften der TH Aschaffenburg.
Betriebsnahe Testszenarien unter Realbedingungen
Automatisiert wurden vier Elektro-Gegengewichtsstapler Linde E20, E25 und E30 mit 2,0 bis 3,0 Tonnen Tragfähigkeit, ausgestattet mit elektrohydraulischer Lenkung (Linde Steer Control), dem
Assistenzsystem Linde Safety Pilot mit elektronischem Lastdiagramm sowie einem integrierten Zinkenverstellgerät.
„Die praktische Umsetzung der Forschungserkenntnisse war für Linde MH und die TH Aschaffenburg ein wichtiger Aspekt,“ erklärt Mark Hanke, Abteilungsleiter im Bereich Vorentwicklung bei Linde
MH.
Ab dem kommenden Jahr sollen die Fahrzeuge weiterentwickelt und getestet werden, um zukünftig vier konkrete Materialfluss-Aufgaben im Werk zu übernehmen: den Transport von Gitterboxen sowie den
Transport von Paletten mit Batterien, außerdem die Transporte von Fahrzeugrahmen und Fahrerschutzdächern, die auf speziellen Ladungsträgern von den Vormontage- an die Hauptmontagelinien gebracht
werden.
Echtzeitkommunikation mit Staplern und Infrastruktur
Ein besonderer Fokus des Forschungsprojektes lag auf der Umgebungswahrnehmung der automatisierten Stapler, um deren zuverlässiges Agieren mit anderen Verkehrsteilnehmern zu gewährleisten.
Mithilfe von KI-Algorithmen können die Stapler Objekte erkennen, klassifizieren und lokalisieren, um dann die Fahrgeschwindigkeit des Staplers anzupassen und ihn bis zum Stillstand abbremsen zu
können.
„Unser Ziel ist, allgemeine Standards und Algorithmen unter Verwendung von KI-Methoden zu entwickeln, die dann flexibel auf unterschiedliche Fahrzeuge oder Applikationen angewendet werden können
und weiterlernen,“ so Prof. Dr. Klaus Zindler, Vizepräsident Forschung und Transfer an der TH Aschaffenburg.
Reinigungssystem für Sensoren, Batterieladen per Roboter
Im Projekt wurde ebenfalls untersucht, wie die bodennahen, optischen Sensoren gesäubert werden können, wenn sie durch Spritzwasser bei Regen oder nasser Fahrbahn verschmutzt wurden. Denn ist eine
zuverlässige Objekterkennung nicht mehr möglich, bringt die Personenschutzanlage den Stapler automatisch in den sicheren Zustand und er hält an. Um dies zu verhindern, entwickelte das Projektteam
ein Reinigungssystem, das die auf den Laserscannern angesammelten Schmutzwassertropfen mit Druckluft wegbläst.
Ein weiteres Projektteam untersuchte mögliche Lösungen für das autonome Laden der Staplerbatterien. Das Ergebnis sprach für einen KI-basierten Roboter, der den Ladestecker mit der Ladebuchse des Staplers verbindet. Das Heck des Staplers wurde entsprechend modifiziert und um eine automatisch angetriebene Ladeklappe ergänzt, die die Ladebuchse vor Schmutz und Spritzwasser schützt.
QR-Code: Video zum Projekt KAnIS
Prof. Dr. Ing. Klaus Zindler
TH Aschaffenburg
klaus.zindler@th-ab.de
www.th-ab.de/transfer/projekte/kanis