Z! DAS ZUKUNFTSMAGAZIN IM INTERVIEW MIT Steffen Mikulla

 

 

 

 

 

 

 

Interview mit Steffen Mikulla


Geschäftsführer ConCert Servicezentrum
Bayerischer Untermain GmbH


Herr Mikulla, die Region Bayerischer Untermain gilt als Wiege der Messtechnik. Kann man das heute noch so stehen lassen?
Ja, absolut. Die Region ist – auch wenn der Dienstleistungssektor auch hier zunimmt - ein starker Produktionsstandort. Messen – Steuern – Regeln (MSR) sind für viele produzierende Unternehmen
Kernprozesse präziser Produktion. Und die Branche entwickelt sich marktgerecht weiter. Gerade aufgrund unserer hohen Präzision haben die hiesigen MSR-Unternehmen auch weltweit hohes Ansehen und sind am Puls der Zeit.


ConCert bietet Kalibrierdienstleistungen an. Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Die Qualität vieler Produkte unterliegt einer Menge von Parametern. Ist ein Bauteil auch nur minimal zu groß oder zu klein oder ist beim Zusammenbau von zwei Teilen das definierte Drehmoment über- oder unterschritten, wird es zur Ausschussware bzw. riskiet eine Rückrufaktion. Daher ist eine regelmäßige Kalibrierung der im Produktionsprozess eingesetzten Messgeräte eine wichtige Voraussetzung für präzise Produktion. Dabei wird vorab ein Normal definiert und bei der Kalibrierung eine mögliche Abweichung festgestellt und auf Normal „zurückgesetzt“.


Das ist dann also so eine Form von Qualitätssicherung?
Ja. Nehmen wir die Automobilindustrie. Sie kauft eine Vielzahl von Bauteilen von Zulieferern zu. Diese
Zulieferer müssen bei der Produktion sicher sein, dass ihre Bauteile präzise nach den  Kundenvorgaben gefertigt sind, denn wenn dies nicht der Fall ist, stehen entweder beim Autobauer die Bänder still oder das eingebaute Teil macht im Betrieb des Fahrzeugs Probleme. Dann kommt es zu teuren Rückrufaktionen, was wiederum bedeutet, dass der Autobauer den Lieferanten in die Pflicht nimmt. Mit exakt kalibrierten Prüfmitteln kann der Zulieferer dieses Risiko minimieren.


Wie stellt ConCert die Qualität der Kalibrierungen sicher?
Wir sind ein DAkkS-akkreditiertes Labor. Unsere Prozesse – niedergeschrieben in unserem
Qualitätsmanagement-Handbuch – werden alle 18 Monate von der Akkreditierungsstelle auditiert. Im
Zertifikat sind alle relevanten Parameter mit ihren Messbereichen genannt. Für unsere tägliche Arbeit
bedarf es besonderer Ausstattung wie hochsensible Kalibratoren aber auch der Sicherstellung von
konstanter Raumtemperatur. Schon durch kleine Abweichungen von der Solltemperatur oder Temperaturschwankungen dehnen sich manche Materialien so stark aus, dass es zu Messfehlern kommen kann. Entscheidend ist auch der feinfühlige Umgang unseres Personals mit den sensiblen Prüfmitteln unserer Kunden.


Gibt es Praxisbeispiele, die jedermann gut nachvollziehen kann?
Kalibrierung wird vielfach bei der Produktion von Bauteilen in der Automobilindustrie, der Luft- und
Raumfahrttechnik oder dem Militär eingesetzt. Aber auch in unserer aller Umfeld sind Kalibrierungen für unsere persönliche Sicherheit ein Thema: FI-Schalter im Haushalt werden mit sogenannten VDE-Testern auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft, sprich ob sie bei zu hohem Stromfluss wie geplant abschalten. Diese VDE-Tester müssen regelmäßig kalibriert werden. Oder in Kfz-Werkstätten: Beim Räderwechsel müssen diese mit einem definierten Drehmoment angezogen werden. Wenn dieses nicht erreicht wird, könnten sich die Räder während der Fahrt lösen. Daher werden die Drehmomentschlüssel regelmäßig geprüft und kalibriert.


Die Kalibrierung welcher Parameter sind das Kerngeschäft von ConCert?
Wir sind spezialisiert auf elektrische Messgrößen wie Spannung, Stromstärke und Widerstand ebenso
wie auf dreidimensionale Größen wie Gewinde. Wir können beispielsweise Abweichungen von 0,02 μm nachweisen. Für andere Messgrößen wie Druck, Temperatur, Durchfluss, Kraft und Gewicht arbeiten wir seit vielen Jahren mit ebenfalls akkreditierten Partnerlaboren zusammen.


Inwiefern profitieren Ihre Kunden von den Kooperationen mit anderen Laboren?
Jeder Partner bedient ein festes Spektrum an Messgrößen. Durch die Zusammenarbeit mit uns ergeben sich für den Kunden eine Reihe von Vorteilen. Für die Kalibrierung jedes einzelnen Parameters sind echte Experten am Werk. Gleichzeitig haben sie mit uns nur einen Ansprechpartner, der Logistikaufwand ist geringer und oftmals können wir als Kooperationspartner für unsere Kunden auch die bevorzugte Durchführung der Kalibrierleistung vereinbaren. Sprich: die Durchlaufzeiten sind kürzer.

 

Wodurch zeichnet sich das ConCert Geschäftsmodell aus?
Neben dem für viele Kunden wichtigen breiten Spektrum, das wir über unsere Kooperationspartner
in der Lage sind abzudecken, stehen wir für flexible und kurze Durchlaufzeiten. Im Markt wird auch
wahrgenommen, dass wir mit der permanenten Weiterentwicklung unserer Prüfmitteldatenverwaltung
und den Vor-Ort-Kalibrier-Services sehr kundenorientiert arbeiten.


Sie sprechen von einer Prüfmittelverwaltung – wie funktioniert das?
Wir erfassen alle Prüfmittel und deren relevanten Messgrößen in einer Datenbank. Ebenso sind die
Zyklen hinterlegt, in denen eine Kalibrierung nötig ist und damit verbunden eine Erinnerungsfunktion.
Eine Historie zeigt, wie, wann und wo das Messmittel in der Vergangenheit mit welchen Werten kalibriert wurde. Diese Datenbank kann beim Kunden installiert werden und mit verschiedenen Benutzerrechten versehen werden. Regelmäßige Updates der Datenbank ermöglichen auch spezielle Kundenwünsche an die Datenbank zu berücksichtigen.


Ihr Unternehmen hat eine lange Tradition. Wo waren die Anfänge?
Der Beginn unserer Tätigkeit liegt bereits in den 1960iger Jahren. Damals ist ein Kalibrierlabor bei
AEG-Medicon in Seligenstadt entstanden. Bereits 1992 wurde das Labor als offizielle DKD-Kalibrierstelle für elektrische Gleich- und Wechselspannungsgrößen akkreditiert. Mein Vater Gero Mikulla hat dann 1998 das Labor übernommen und unter dem Namen MKR-Kalibrierservice geführt. 2002 entstand dann die Idee, ein Servicezentrum einzurichten und wir zogen in das Business Center der ZENTEC nach Großwallstadt. Das Kalibrierzentrum ConCert ist gut im Markt angenommen worden und wir haben dann 2006 in Mainaschaff größere Räumlichkeiten angemietet. 2012 sind wir näher an eine Reihe wichtiger Kunden gerückt, die ebenso wie wir im Industrie Center Obernburg und Umgebung angesiedelt sind. Weiterhin konnten wir 2016 das Längenlabor der Firma MÜGRA Lehrentechnologie übernehmen und damit unser Leistungsspektrum deutlich erweitern.


Welche Rolle spielte das Technologiezentrum ZENTEC bei der Entwicklung zum Servicezentrum?
ZENTEC engagierte sich, Kalibrierdienstleister der Region Bayerischer Untermain zusammenzubringen, um Potenziale für Zusammenarbeit auszuloten. Dies gelang sehr gut, weil es nur sehr wenig Überlappungen oder gar Konkurrenzsituationen gab. Ergebnis war die Idee, die Dienstleistungen der Firmen gemeinsam unter einem Dach zu koordinieren und zu vermarkten und somit die Position im Wettbewerb gegenüber großen Dienstleistern, die alles aus einer Hand anbieten können, zu verbessern. Auch dank einer monetären Unterstützung des Freistaats Bayern konnten wir das sehr strukturiert tun und hierbei auch den Namen „ConCert“, ursprünglich als Abkürzung für „Konsortium für zertifizierte Dienstleistungen“ gedacht, entwickeln. ZENTEC war somit der Initiator und der „Geburtshelfer“.


Man sieht, Ihr Unternehmen ist mit der Region stark verwurzelt. Was schätzen Sie am Bayerischen Untermain?
Betrachtet man es von der wirtschaftlichen Seite kann man sagen, dass wir hier wirklich eine hohe
Dichte an produzierenden Unternehmen verzeichnen, die unserer Services bedürfen. Gepaart mit
der guten logistischen Anbindung sind das ideale Voraussetzungen für uns als Unternehmen. Dazu
kommt, dass man sich auch privat sehr wohlfühlen kann: Es gibt tolle Freizeitangebote, kulturelle
Highlights und auch gastronomisch kommt man auf seine Kosten. Die Region ist also – aus meiner
Sicht – für eine Kombination aus qualifizierten, anspruchsvollen Arbeitsplätzen sowie zum Leben, sei
es als Single oder Familie, durchaus attraktiv.


Herr Mikulla, vielen Dank für die interessanten Einblicke in Ihr Unternehmen.


Das Interview führten Katja Leimeister und Gerald Heimann



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